Ein Vorwort zur Systemischen Aufstellung -
Aufstellungsarbeit – Systemstellen
Ist die Systemische Aufstellungsarbeit nur ein fauler Hokuspokus oder kurz gesagt: Wo bleibt da der wissenschaftliche Nachweis für ihre Wirksamkeit?
Die Systemische Aufstellung ist ein Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der systemischen Aufstellungsarbeit. Die hauptsächlichen Formen sind: die Systemisch phänomenologische Familienaufstellung oder das Familienstellen, die Strukturaufstellung, die Persönlichkeitsaufstellung und die Organisationsaufstellung. Zur einfacheren Lesbarkeit der Texte in dieser Website, werden die Kunden, Klienten oder Patienten weitgehendst als KlientIn und die Personen, die Systemische Aufstellungen leiten, als AufstellungsleiterIn bezeichnet. In den Texten wird wechselweise meist nur die weibliche oder männliche Form angewendet.
Individualität - die persönliche Handschrift.
Das systemische Aufstellungsverfahren ist nicht die exakte Anwendung einer mathematischen Formel oder eines standardisierten Verfahrens zur Ermittlung eines Ergebnisses. Vielmehr wird das Verfahren (Ablauf) durch die individuelle „Handschrift“ des Aufstellungsleiters beeinflusst. Dies hat zur Folge, dass die Aufstellungen nicht identisch verlaufen.
Je nach dem geistigen Standort und der Herkunft der aufstellenden Person wird die Aufstellung durch deren Hintergrund geprägt. Dies kann z. B.
• schamanisch,
• psychologisch,
• mystisch,
• energetisch,
• esoterisch,
• etc.
sein.
Dies beeinflusst dann massgeblich die Vorstellungen der aufstellenden Person zur Funktion und Wirkungsweise der Aufstellung. Dies kann auch dazu führen, dass in der Aufstellungsterminologie Begriffe gleich lauten, wobei sie jedoch eine unterschiedliche Bedeutung haben.
Manchmal werde ich von Klienten oder anderen Personen auf meine Aufstellungsarbeit angesprochen und höre dann Argumente wie: Die Systemische Aufstellung sei ja keine wissenschaftliche anerkannte Methode oder ihre Wirkung sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Nein, leider sind wir noch nicht so weit, dass wir konkret verstehen, was bei einer Aufstellung im Verborgenen tatsächlich abläuft. Es gibt wohl etliche Hypothesen dazu.
- Eine beruht auf der Arbeit von Ruppert Sheldrake, Autor und Biologe (PhD für Biochemie, Universität Cambridge) über „Das morphische Feld“. Als morphisches Feld, ursprünglich auch als morphogenetisches Feld, bezeichnet Rupert Sheldrake ein hypothetisches Feld (später auch das Gedächtnis der Natur), das als „formbildende Verursachung“ für die Entwicklung von Strukturen sowohl in der Biologie, Physik, Chemie, als auch in der Gesellschaft verantwortlich sein soll. Von der Naturwissenschaft wird die Hypothese als pseudowissenschaftlich eingestuft, dennoch wird die wissenschaftliche Überprüfung der Hypothese in Einzelfällen gefordert. Auch Vertreter der Sozialwissenschaften haben die Hypothese ernsthaft diskutiert.
- Carl Gustav Jung (26. Juli 1875 - 6. Juni 1961), war ein Schweizer Psychiater und der Begründer der analytischen Psychologie. Er entwickelte das Konzept vom kollektiven Unbewussten mit den Archetypen.
„Und sie bewegt sich doch“ – Auch wenn der italienische Physiker, Mathematiker und Astronom Galileo Galilei diesen berühmten Satz wohl nie vor dem katholischen Inquisitionsgericht in Rom ausgerufen hat, ist er trotz allem über all die Jahrhunderte im kollektiven Gedächtnis verankert geblieben.
Worauf ich hinaus will, auch wenn wir für die Funktion vieler Dinge in unserer Welt keine wissenschaftliche Erklärung haben, sie funktionieren und geschehen trotzdem. Wir müssen achtgeben, dass der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit nicht an die Stelle der Inquisition tritt.
Mein Wissen zur Wirksamkeit der Systemischen Aufstellung ist empirischer Natur und beruht auf den Rückmeldungen durch meine Klienten beim Abschlussgespräch und meinen Beobachtungen über den Zeitraum von 20 Jahren.
Ich bin in meiner Denkart eher pragmatischer Natur. Für wen mache ich die Aufstellungen – für die Wissenschaft? Nein, natürlich nicht, ich mache sie für meine Klienten. In meiner 20-jährigen Praxis mit Systemischen Aufstellungen habe ich immer wieder erlebt, dass selbst in Fällen wo ich Zweifel hegte und ich mich fragte, ob die Systemische Aufstellung bei dem vorliegenden Fall eine positive Verbesserung bewirken kann, jedoch durch das Resultat eines Besseren belehrt wurde.
Sicherlich ist die Systemische Aufstellungsarbeit kein „Allheilmittel“ oder das Orakel von Delphi, das wahllos zur Weissagung, zur „Wunderheilung“ oder für den Blick in die Zukunft angewendet werden kann. Auch die Systemische Aufstellung hat ihre Grenzen und eignet sich nicht für alle Fälle. Es ist also auch wichtig, zu unterscheiden, wann brauche ich einen Arzt oder wann mache eine Aufstellung oder begleitend eine Aufstellung.
Auch kann in gewissen Fällen der einzelne Misserfolg nicht ausgeschlossen werden. Die Anwendung der Methode beruht auf einer komplexen Interaktion zwischen dem Klienten, den Stellvertretern und dem Aufstellungsleiter. Dabei ist es wichtig, dass der Aufsteller professionell arbeitet, der Klient ein wirklicher Klient und nicht nur ein Besucher ist und letztendlich die Stellvertreter in ihrer Wahrnehmung nicht durch Ihre eigenen Dramen fehlgeleitet werden.
Vereinfacht gesagt, eine schlechte Arbeit hat in der Regel auch ein unbrauchbares (wirkungsloses) Resultat zur Folge. Oder was nützt das beste Medikament, wenn die Diagnose nicht stimmt und es für die „falsche Krankheit“ oder in der falschen Dosierung verabreicht wird.
Eine erfolgreiche Aufstellung setzt unter anderem voraus, dass sich die nachfolgenden Fragen mit Ja beantworten lassen:
- Ist die Systemische Aufstellung für die vorliegende Problemstellung des Klienten die geeignete Methode?
- Sind die gewünschten Veränderungsziele des Klienten realistisch?
- Ist der Klient für die „Lösung“ und ihre Konsequenzen bereit?
- Ist der Klient vom Erfolg der Aufstellung überzeugt oder ist er nur ein Besucher oder „Therapietourist“?
- Nicht zuletzt, macht der Aufsteller seine Arbeit gut?
Der Ablauf der Aufstellung.
- Ich unterteile meine Aufstellungsarbeit arbeitstechnisch und zeitlich in drei getrennte Schritte.
- Das Vorgespräch: Zur Abklärung (Anamnese) und zur Zieldefinition. Eine bis mehrere Wochen vor der Aufstellung
- Die Aufstellung: In der Regel eine Aufstellung in der Gruppe.
- Die Nachbesprechung: Ich sehe meine Klienten frühestens 3 Monate nach ihrer Aufstellung, anlässlich der Nachbesprechung.
Sie ist für mich auch eine Form der Qualitätskontrolle. Habe ich die Aufgabenstellung des Klienten richtig verstanden und mein weiteres Vorgehen dementsprechend ausgerichtet und wurde das Aufstellungsziel erreicht?
Sehr oft kann ich schon anhand der Ausstrahlung, Körperhaltung und dem Gesichtsausdruck eine positive Veränderung feststellen. Weiter helfen mir dabei die Schilderungen der Klienten bezüglich ihrer Befindlichkeit und den Veränderungen, die in ihrem Leben und oder Umfeld eingetreten sind.
„Wer heilt hat Recht" ein geflügeltes Wort, das auf Christian Friedrich Samuel Hahnemann zurückgehen soll. Samuel Hahnemann lebte vom 10. April 1755 - 2. Juli 1843, war Arzt, Autor und Begründer der Homöopathie. Mit diesem Ausspruch soll er auf die Kritik an seiner Methode geantwortet haben. Wer heilt hat recht, nur eine Plattitüde? Würde ich mich als Heiler verstehen, könnte ich diesen Satz sicher vorbehaltslos unterschreiben. Aber auch ohne ein Heiler zu sein, kann ich im Zusammenhang mit der Systemischen Aufstellung diese Aussage bejahen.
Winterthur, 1. September 2019
Albert J. Hiltebrand